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Marode Schulen, zu wenig Schulplätze, zu wenig Lehrer und Lehrerinnen

So baufällig, dass Unterricht eigentlich nicht stattfinden sollte

Wer keine schulpflichtigen Kinder hat, mag das gar nicht glauben. Es ist aber tatsächlich so. Es gibt Schulen, da fällt den Schulkindern im Klassenraum der bröckelnde Putz auf den Kopf und in einem Berliner Gymnasium drohen die Fenster rauszufallen.1 Franz-Josef Meyer vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) sagt, dass „verstopfte und kaputte Schultoiletten, Fenster, die nicht zu öffnen sind, defekte Heizungen, unbehandelte Wasserschäden, bröckelnde Decken und Wände und nicht funktionierendes WLAN“ keine Einzelfälle“ sind.2

Unterrichtsstunden fallen massenhaft aus

„Aktuell sind nach Schätzungen des Deutschen Lehrerverbands bundesweit 30.000 bis 40.000 Lehrerstellen vakant. Tendenz: stark steigend.“

News4Teachers, 10.11.2022

Eine Studie des Bildungsexperten Klaus Klemm geht sogar von 158.700 fehlenden Lehrkräften bis 2035 aus.3

Der Lehrermangel verschärft sich immer weiter. Bund und Ländern fällt dazu nichts Besseres ein, als zu versuchen, die fehlenden Lehrer und Lehrerinnen durch Berufs-Quereinsteiger zu ersetzen. Als wenn diese die Lehramtsqualifikation in einem mehrtägigen oder mehrwöchigen Kursen erwerben könnten. So wird aus einem Germanistikstudenten kein Deutsch-Lehrer und aus einem Dipl.-Chemiker kein Chemie-Lehrer.

Zum Lehrersein gehört so viel mehr. Verständnis für die Belange der jeweiligen Altersgruppe zu haben, ist z.B. so ein Part, der nicht auf die Schnelle gelernt werden kann. Spielerisch rüberzubringen, dass Lernen auch Spaß machen kann, das Schlichten von Streitigkeiten und viele andere notwendige soziale Fähigkeiten bedürfen einer gewissen Persönlichkeit und sozialer Kompetenzen. Grundlagen der Entwicklungspsychologie, das Einschätzen von Entwicklungsverläufen und noch so viel mehr… Schule ist so vielfältig.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat vor Kurzem einen 15-Punkte-Plan gegen den Lehrermangel aufgelegt.

PISA war gestern. Heute werden unsere Kinder wieder dümmer gemacht

„Die Befunde zu den Leistungen der Kinder und der sozialen Schere an den Grundschulen in Deutschland sind ernüchternd und skandalös“, stellte Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf die heute veröffentlichte Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Frankfurt a.M. fest. „Jetzt rächt sich, dass der Primarbereich in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde: der immer größer werdende Lehrkräftemangel, die ungleiche Bezahlung in den Bundesländern, große Klassen, fehlende Unterstützungssysteme, eine unzureichende Ausbildung – so legt man nicht die notwendigen Grundlagen für das zukünftige Leben der Kinder.“

GEW, 17.10.2022

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL) sieht in dem Ergebnisbericht des IQB-Bildungstrend 2021 einen Beleg für einen „sich immer weiter beschleunigenden signifikanten Abschwung von Bildungsqualität und für immer geringere Lernerfolge bei Grundschülern“.4

Meidinger warnte davor, den Leistungsabfall vorrangig auf Corona zu schieben: „Das greift viel zu kurz, wir bekommen heute die Quittung für eine jahrelange verfehlte Schulpolitik in vielen Ländern, die sich in Nebenkriegsschauplätzen und einer Vielzahl von Modellversuchen und Sonderprogrammen verzettelt hat, anstatt den Schwerpunkt des Unterrichts an der Grundschule auf den umfassenden Erwerb der zivilisatorischen Grundkompetenzen Lesen, Rechnen und Schreiben zu legen. Es gilt auch zu überprüfen, ob der auf Kosten von Deutsch eingeführte Frühfremdsprachenunterricht und das in letzter Zeit forcierte Programmieren an Grundschulen nicht kontraproduktiv waren.“4

Auch die schulische Integrationspolitik scheitert

Zu scheitern drohe – wie der Verbandsvorsitzende ausführte – aber auch die schulische Integrationspolitik, wie das weitere Auseinanderklaffen der Lernleistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zeige.

Angesichts der sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen an den Schulen durch den wachsenden Lehrkräftemangel und den massiven Zustrom von Flüchtlingskindern aus der Ukraine, ohne dass dafür zusätzliche Personalressourcen bereitgestellt werden können, sei ein weiterer Absturz in den Folgestudien eine reale Bedrohung. Bei den Leistungs–verschlechterungen handele es sich nicht nur um statistische Auffälligkeiten, sondern um eine Gefahr für die Bildungs- und Zukunftschancen zahlreicher Kinder und Jugendlicher.4

Eine lesenswerte Kolumne zu dem Thema ist unter dem Titel „Deutschlands vergessene Kinder“ am 08.09.2022 im Spiegel erschienen.

Für unser Bildungssystem ist es schon Viertel nach zwölf. Hunderte Milliarden Euro werden über Sondervermögen am Bundeshaushalt vorbeigeschleust und in der ganzen Welt verteilt, aber für die Bildung unserer Kinder ist kein Geld da. Dabei sind die Kinder unser aller Zukunft!


1 t-online.de, 24.09.2022
2Zeit, 05.05.2021
3Deutsches Schulportal, 05.05.2022
4Pressemitteilung Deutscher Lehrerverband, 17.10.2022

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