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Arz­nei­mit­tel­wirk­stof­fe: Diese Abhängigkeit von Asien ist viel gefährlicher als Corona

Der Valsartan-Skandal

Aktuell wird die Abhängigkeit von russischem Gas beklagt. Um ein Vielfaches bedrohlicher ist jedoch, dass ein Großteil der regelmäßig dringend benötigten Arzneimittelwirkstoffe in China und Indien hergestellt wird. So wurde beispielweise im Juli 2018 eine Verunreinigung des Wirkstoffs Valsartan mit einem krebserregenden Stoff bekannt. Es war ein chinesischer Hersteller. Das führte dazu, dass viele deutsche Pharmahersteller plötzlich keine Arzneimittel mehr für die Behandlung von Bluthochdruck und leichter bis mittelschwerer Herzinsuffizienz produzieren konnten. Betroffene Patienten und Patientinnen waren mehr als nur beunruhigt. Man sprach vom „Valsartan-Skandal“.

Seitdem sind beständig weitere Verunreinigungsfälle bei Sartanen aus chinesischer und indischer Herstellung bekannt geworden, was immer wieder zu Produktionsstopps und Lieferschwierigkeiten geführt hat.1 Hier die aktuelle Liste (Stand 14.09.2022) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/s-z/valsartan.html

Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer

Schätzungen zufolge werden rund 80 % der Wirkstoffe aller in der EU abgegebenen Arzneimittel – Generika wie patentgeschützte Arzneimittel – im Nicht-EU-Ausland produziert.

progenerika, Dezember 2018

Progenerika spricht vor diesem Hintergrund von einer „Oligopolisierung auch bei den Wirkstoffherstellern“. Das gefährde die Versorgungssicherheit und führe zu einer Abhängigkeit der Versorgung in Europa. Laut Dr. Morris Hosseini (Roland Berger) hängt Deutschland auch bei der Antibiotika-Produktion „am Tropf von Asien“.2

Die Roland-Berger-Studie (November 2018) hat Wege zur Produktion von Antibiotika-Wirkstoffen in Deutschland bzw. der Europäischen Union untersucht und anhand eines Antibiotikas berechnet, wie viel teurer es wäre, wieder bei uns vor Ort zu produzieren. Im Ergebnis ergaben sich moderate Mehrkosten von nur 0,25 %.3

Laut BfArM gibt es aktuell (30.10.2022) für 284 Arzneimittel Lieferengpässe aus unterschiedlichen Gründen.4

Und was macht die Politik mit diesen Infos?

Es brauchte eine Pandemie, mit umfassenden Lockdowns in China, um unsere Politiker und Politikerinnen wachzurütteln.

Das Europäische Parlament hat am 17. September 2020 eine Entschließung angenommen, in der gefordert wird, Europas Unabhängigkeit im Gesundheitsbereich abzusichern. Die Versorgung soll gewährleistet, die lokale pharmazeutische Produktion gefördert und nationale Gesundheitsstrategien auf EU-Ebene besser koordiniert werden.

Europäisches Parlament

Und ja, Karl Lauterbach hatte sich tatsächlich schon 2019 Gedanken über die Rückholung der Arzneimittelproduktion nach Europa gemacht.5 Da war er noch kein Bundesgesundheitsminister. Aber seitdem herrscht diesbezüglich Funkstille. Es ist derzeit nicht erkennbar, dass das Problem ernsthaft angegangen wird.

Was bedeutet das für die Menschen in Deutschland und Europa?

Wir haben oft genug erlebt, wie schnell westliche Länder – häufig allen voran die USA – bereit sind, Sanktionen zu verhängen, wenn die Politik in anderen Ländern vermeintlich fragwürdig ist. Das geht im Zweifel aber auch umgekehrt. Wenn China und Indien die Lieferung von Arzneimittelwirkstoffen blockieren, werden hier bei uns viele Menschen sterben, die diese Arzneimittelwirkstoffe dringend zum Überleben benötigen. Dann werden nicht nur chronisch kranke Menschen sterben, sondern auch die, deren akute Infektionen nicht mit Antibiotika behandelt werden können.

Deutschland ist erpressbar geworden!


Quellenangaben:
1 Wikipedia: Valsartan-Skandal#Weitere Sartanfälle
2 progenerika zur Roland-Berger-Studie
3 Download der Roland-Berger-Studie bei progenerika
4 PharmNet.Bund
5 ÄrzteZeitung, 21.11.2019

(BB)

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